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AutorenbildSteffen Quasebarth

Kyndagartn


Kyndagartn oder Kindergarten oder KITA? Haben Sie auch kurz gestutzt? Worte bestimmen unser Bild von der Welt. Es macht einen Unterschied, ob ich einen Kindergarten betrete, eine KITA oder eine "Einrichtung". Ich persönlich habe mich immer gegen das unpersönliche Akronym KITA gesperrt. KITA entstammt der Verwaltungssprache. Die vier Buchstaben stehen für Kindertagesstätte. Bis heute ist es mir ein Rätsel, wie dieses Wortmonster, dessen Existenzberechtigung sich mir immer noch nicht erschlossen hat, das wunderbare Wort Kindergarten ersetzen konnte. Kindertagesstätte. Was soll das sein? Eine "Stätte" bezeichnet lediglich einen Ort, an dem sich etwas befindet. Ein "Garten" bezeichnet einen Ort, an dem etwas wächst. Im Kindergarten wachsen Kinder also heran. In der Kindertagesstätte hingegen können sich die Kinder lediglich befinden.

Natürlich ist das Haarspalterei. Und natürlich geht es an der Alltagswirklichkeit vorbei. Denn sicherlich wird in tausenden KITA im Land ebenso fröhlich gespielt, wie in tausenden Kindergärten. Ich möchte damit aber einmal überdeutlich machen, welche Bedeutungsnuancen Sprache zulässt. Nomen est Omen.

Freilich lässt sich das Monster "Kindertagesstätte" prima zu KITA abkürzen. Zwei Silben. Einfach und schmerzlos, Zeit ist Geld. Aber - mal ehrlich: Geht es beim Aufwachsen unserer Kinder darum, Zeit zu sparen? Geht es darum, Geld zu sparen? Oder geht es um reifen, wachsen, gedeihen lassen? Alles braucht seine Zeit und Kinder brauchen ganz besonders viel Zeit: Zum Malen, Singen, Lachen, Toben, Weinen, Zanken, Basteln, Schlafen, Klettern, Bauen, Rennen, Kichern, sich Verkleiden, einfach mal so zu tun als ob und vor allem zum Spielen.

Natürlich - mag sein - der Begriff Kindertagesstätte ist so schön allumfassend. Er schließt nichts aus. Er meint Kindergarten und Krippe gleich mit. Ist das nicht praktisch?

Klar ist es das! Nur - ich wiederhole mich. Wir reden über Kinder. Nicht über Autos oder Outdoorjacken. "Praktisch" ist kein Argument.

Ich glaube, dass wir hier das Kind mit dem Bade ausgekippt haben. Warum nicht einfach beschließen, mit dem Wort "Kindergarten" auch die "Krippe" mit zu meinen. Was ist so schlimm daran? Ich habe als Kind eine solche kombinierte Kindergarten/Krippe-Einrichtung besucht.

In der einen Haushälfte befand sich die Krippe, in der anderen der Kindergarten. Bei späteren Besuchen im Erwachsenenalter waren wir problemlos in der Lage, beides zusammen zu fassen. "Dahinten, da ist mein alter Kindergarten. Links die Haushälfte - die Krippe, daneben der Kindergarten". So habe ich Freunde gern herum geführt. Ein bisschen redundant. Na und?

Es macht mich ganz einfach traurig, dass wir - ausgerechnet im Land von Friedrich Fröbel, dem "Erfinder"des Kindergartens - so wenige Achtsamkeit auf unsere Alltagssprache legen. KITA, wohin das Auge schaut. Und das Wort ist mittlerweile einfach so in der Alltagssprache angekommen und hat den guten alten Kindergarten verdrängt.

Doch es gibt auch Hoffnung. So findet man auf den Internetseiten der AWO Saalfeld-Rudolstadt keinerlei KITA. Stattdessen werden dort all die Kindergärten aufgelistet, die die jüngsten Bürger des Landkreises täglich für einige Stunden zum Wachsen, Gedeihen, vor allem aber zum Spielen aufnehmen, versorgen, anleiten, ermutigen und inspirieren. Irgendwie auch kein Wunder: Denn im Landkreis Saalfeld Rudolstadt liegt Bad Blankenburg - der Ort des ersten Fröbelkindergartens. Da rufe ich freudig aus: "Klasse! Weiter so!"

Leider bisher ein Einzelfall. Die AWO in Erfurt beispielsweise kennt nur noch KITA. Wie andere Träger und Einrichtungen übrigens auch.

Traurig. Dabei braucht es nicht viel, um das zu ändern. Eigentlich nur den Willen, etwas ändern zu wollen. Nicht mehr als den Willen, unserer schönen deutschen Sprache wieder ein Wort zurück zu geben, dass von hier aus einst eine Weltreise angetreten hat, dessen Idee und Geist Menschen in hunderten Ländern dazu veranlasst haben, es uns gleich zu tun: Kinder gemeinsam aufwachsen zu lassen, einzuladen, zu ermutigen und zu inspirieren mit ihres Gleichen spielend die Welt zu erkunden, Feste zu feiern, den Jahreskreis zu durchschreiten.

Ich persönlich habe das Wort KITA aus meinem Sprachschatz verbannt. Als Moderator eines regionalen Nachrichtenmagazins (MDR Thüringen Journal) habe ich nicht nur einigen Einfluss, sondern auch die Möglichkeit, Trends mitzubestimmen. So ersetze ich konsequent "KITA"-durchsetzte Anmoderationsvorschläge meiner Kollegen durch den schönen, eleganten und blumigen "Kindergarten". Ausserdem werde ich nicht müde, Kollegen, Nachbarn, Freunde und Behördevertreter freundlich aber bestimmt zu nerven, es mir gleich zu tun. Mir liegt der Kindergarten nun mal am Herzen. Ich verbinde einige der schönsten Jahre meines Lebens mit meiner Kindergartenzeit.

Seit einigen Jahren werde ich jedoch - gewissermaßen von oberster Stelle - gezwungen, dieses entsetzliche und entmenschlichende Wort-Ungetüm KITA doch wieder in den Mund zu nehmen. Und zwar bei der alljährlichen Vergabe des Deutschen KITA-Preises, über den wir im MDR selbstverständlich auch berichten, der aber nun als Eigenname nicht einfach so umgetauft werden darf.

Traurig aber in gewisser Weise auch vielsagend, dass ausgerechnet die Heinz Dürr Stiftung, die den Deutschen KITA Preis maßgeblich unterstützt, das Wort Kindergarten ganz und gar aus ihren Texten verbannt zu haben scheint. Da hätte ich mir etwas mehr Liebe zur Idee und zum Geist des Kindergartens nach Fröbel gewünscht. Im Zentrum von Fröbels Pädagogik stand noch das Spiel als typisch kindliche Lebensform mit eigenem Bildungswert. In den Zielen des Deutschen KITA-Preises hingegen wird viel über Qualität, Qualitätsbestrebungen, Partizipation, und Strukturentwicklung gesprochen. An keiner Stelle taucht jedoch das Substantiv "Spiel" oder das Verb "spielen" auf. Da macht sich bei mir ein ganz merkwürdiges Gefühl im Bauch breit. Weil der Mensch nur da ganz Mensch ist, wo er spielt (Friedrich Schiller).

Sollte es bei der Vergabe des Deutschen KITA Preises am Ende gar nicht darum gehen, solche Kindergärten zu fördern, in denen Kinder einfach nur spielen? Sollte es stattdessen lediglich darum gehen, KITA hervorzuheben, die Kinder dazu bringen, effektiv und qualitätsüberwacht zu lernen? Und falls ja, was wäre daran verkehrt?

Ich provoziere bewusst. Das möchte ich deutlich machen. Es geht mir darum, Widerspruch und Aufmerksamkeit zu erzeugen. Um aber nicht missverstanden zu werden: Ich halte Lernen für eine tolle Sache. Ich bin glühender Verfechter lebenslangen Lernens. Nur - Kinder lernen eben besonders im Spiel alles, was Sie für das Leben brauchen. Kinder spielen zu lassen heißt, Kinder ihre Sprache sprechen zu lassen, Kindern Muse, Raum und Zeit zu geben, im Flow mit sich und ihrer Umwelt auch die winzigsten Details ihres direkten Lebensumfeldes zu entdecken: Den Käfer, der über das Blatt krabbelt, erst über die Oberseite und dann über die Unterseite. Wie macht er das nur?

Solche Momente sind meines Erachtens in einem Garten, einem Kindergarten noch dazu, sehr viel leichter zu erleben. Weil die Wirklichkeit - der Garten voller spielender Kinder - nun einmal in unserem Kopf ihren Anfang nimmt.

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